Die Lambda-Sonde muss man nicht verstehen. Aber hassen.
- soerensschroeder
- 13. Jan. 2021
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Jan. 2021
Es gibt einen Tag im Leben jedes Autofahrers, der alles verändert. Das ist der Tag, an dem die Motorkontrollleuchte zum allerersten Mal aufleuchtet. Geschieht dies, empfiehlt das Handbuch für gewöhnlich eine Fahrt in die Werkstatt. Folgt man dieser Empfehlung, wird in der Werkstatt der elektronische Fehlerspeicher ausgelesen. Ist der elektronische Fehlerspeicher ausgelesen, wird das Ergebnis verkündet. Dieses besagt mit etwa 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit, dass der Grund für das Aufleuchten der Motorkontrollleuchte ein Defekt der Lambda-Sonde ist. Und damit beginnt der Schrecken.

Die Lambda-Sonde kann nämlich nie mit absoluter Sicherheit als Fehlerquelle identifiziert werden. Es bleibt immer ein gewisses Restrisiko, dass das Problem doch woanders liegt. Wahrscheinlich ist es die Lambda-Sonde. Aber wohlmöglich auch nicht. Das weiss man erst nachher. Also nach der kostspieligen Reparatur. Ob man überhaupt eine Lambda-Sonde braucht? Das weiss man auch nicht so genau. Die Lambda-Sonde ist quasi der Blindarm eines jeden Kfz. Ohne konkreten Nutzen, wenn sie funktioniert. Aber dazu fähig, grosse Schwierigkeiten zu verursachen, wenn sie defekt ist.
Es drängt sich beinahe der Gedanke auf, die Lambda-Sonde sei nur erfunden worden, um das Geschäft der Autowerkstätten anzukurbeln. Warum sonst sollte man ein Teil verbauen, dessen Funktion – vorsichtig formuliert – umstritten ist? Unter dem Vorwand, den Restsauerstoffgehalt im Verbrennungsabgas zu messen, hat es die Lambda-Sonde mit den Jahren geschafft, sich ins Innerste des Motorraumes hineinzuwanzen. Die Lambda-Sonde ist ein Dämon, der sich durch seinen griechischen Namen wichtig machen will. Nur, so wichtig kann sie ja nicht sein, sonst würde sie schliesslich «Alphasonde» heissen. Wohlmöglich sollte man zur Problembehandlung keinen Kfz-Meister engagieren, sondern einen Exorzisten. Vielleicht wäre dieser in der Lage zu verhindern, dass die Mutter der Ionendiffusion weiter ihr Schindluder mit uns treibt – und unsere Autos scharenweise in die Werkstätten.
Vermutlich rührt die ganze Boshaftigkeit und Arglist der Lambda-Sonde daher, dass sie auch lieber eine richtig coole Sonde wäre. Eine Lambada-Sonde. Was immer das sein mag… Oder eine echte Raum-Sonde. Oder eine lebensrettende Sonde, wie eine Lawinen-Sonde. Oder zumindest eine nützliche Sonde, wie eine Magen-Sonde. Doch da die Lambda-Sonde für solche Aufgaben nicht taugt, fristet sie ihr Dasein im dunklen Motorraum, umgeben von Stickoxiden und Ruß. Da ist es kaum verwunderlich, dass sie dem Autofahrer schon aus Prinzip nicht wohlgesonnen ist. Für sie gilt schliesslich die Rechnung: Je weniger das Auto fährt, desto weniger Abgase werden produziert und desto angenehmer ist ihr tristes Sonden-Dasein.
In stillen Momenten auf der Hebebühne, wenn der Motor nicht läuft und der Kfz-Meister mit der Taschenlampe leuchtet; in solchen beinahe andächtigen Momenten fühlt sich die Lambda-Sonde ihrem Idealzustand ganz nahe. Mit ein bisschen Fantasie kommt sie sich dann tatsächlich wie eine Raumsonde vor, die um die leuchtende Sonne kreist. Deshalb macht sie bei den meisten Tests in der Werkstatt dann auch keine Mucken.
Sie meldet sich erst dann wieder, wenn man nachts im Regen auf der A43 unterwegs ist. Dann lässt sie die Motorkontrollleuchte aufblinken und zwingt einen dazu anzuhalten und sich beim ADAC zu melden. Sofern man es nicht besser wüsste, könnte man tatsächlich meinen, dahinter steckte keine böse Absicht.
Oh ja, … die Lambda-Sonde, sie ist ein echtes Biest!
* Dieser Text stammt ursprünglich aus meinem im Jahr 2015 nicht veröffentlichten Buch "Mentalhygiene – kritische Gedanken, neue Perspektiven und etwas Wahnsinn".
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