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Alles relativ! Ein paar Gedanken zum Wert der Dinge.

  • soerensschroeder
  • 3. Feb. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Etwa 300-400 Milliarden US-Dollar. Soviel waren die vier wertvollsten Marken der Welt im Jahr 2020 jeweils wert. Zumindest wenn man der Markenbewertung von Kantor Millward Brown Glauben schenkt. Die Firma Interbrand berechnet für dasselbe Jahr einen Markenwert von 165 Mrd. US-Dollar (google) bis 323 Mrd. US-Dollar (Apple) für dieselben vier Firmen. Eine Differenz von über 100 Mrd. US-Dollar. Aber wie kommt es, dass sich der Wert der Unternehmen in den beiden Bewertungen so stark voneinander unterscheidet?


Die Erklärung liegt darin, dass die meisten Dinge immer genau den Wert besitzen, den wir ihnen zuschreiben. Einen wirklich objektiven Wert einer Sache gibt es nicht. Denn der Wert einer Sache definiert sich nie durch die Sache allein, sondern immer durch die jeweils geltenden Umstände. Ein Glas Wasser ist in der Wüste wesentlich wertvoller als ein Glas Wasser auf einem Berg neben der Quelle. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, ändert sich auch der Wert des Wassers.


Nehmen Sie zum Beispiel Salz: Über viele Jahrhunderte war dies mehr wert als Gold. Denn lange Zeit war Salz die einzige Möglichkeit, um Lebensmittel haltbar zu machen. Die alten Römer bezahlten sogar ihre Soldaten mit Salz. (Der Begriff «Salär» stammt vom lateinischen «sal» für Salz.) Mit der Zeit wurden jedoch neue Möglichkeiten entwickelt, um Lebensmittel haltbar zu machen. Gleichzeitig wurde die Salzgewinnung technisch aufgewertet, so dass mehr Salz zu günstigeren Preisen produziert werden konnte. Der Wert des Salzes löste sich auf. Und heute ist gewöhnliches Kochsalz kaum mehr wert als ein paar Cent.


Dasselbe funktioniert natürlich auch in die andere Richtung. Ein Blick auf die Kryptowährung Bitcoin bestätigt das. Aufgrund zunehmender Volatilität der Finanzmärkte weltweit, erlebt Bitcoin aktuell mal wieder einen Höhenflug. Wer hätte das gedacht? Vor allem wenn man sich die Dimensionen der Wertsteigerung anschaut. Am 22. Mai 2010 wurde zum ersten Mal eine Transaktion getätigt, bei der jemand ein physisches Produkt mit Bitcoins bezahlte. Die Bitcoin-Community feiert diesen Tag seitdem als «Bitcoin Pizza Day», da der Programmierer Laszlo Hanyecz an diesem Tag die Lieferung von zwei Pizzen mit Bitcoin bezahlte. Das Vergnügen kostete ihn 10.000 Bitcoins, was einem Wert von etwa 30 US-Dollar entsprach. Im Jahr 2017 wären Hanyecsz Bitcoins mehr als 188 Millionen US-Dollar wert gewesen. Und im Jahr 2021 bereits über 317 Millionen US-Dollar. Die Bitcoins sind nach wie vor dieselben, nur die Umstände haben sich geändert.


Der Wert treibt eben manchmal komische Blüten. Dazu zählt auch, dass mitunter kaputte Dinge wertvoller sind als heile. Abstrakt betrachtet macht dies überhaupt keinen Sinn, schliesslich schränken Produktionsfehler die Funktion von Produkten in der Regel ein. Und Fehler sind ja auch nichts, was man sich wünscht. Per Definition sind sie nämlich falsch. Nimmt man aber eine Erstausgabe von Wilhelm Buschs «Max und Moritz» von 1865 als Beispiel, so kostet diese rund 35.000 Euro. Erkennbar ist sie an einigen Druckfehlern, die ab der zweiten Ausgabe korrigiert wurden. So lautet zum Beispiel der erste Satz: «Ach, was muss man oft von bösen Kinder [sic!] hören oder lesen!» Ein fehlerfreies Exemplar der fünften Ausgabe ist hingegen nur 150 Euro wert. Zugegeben, die Erstausgabe ist vor allem deshalb so wertvoll, weil es nur noch zehn bis zwölf Exemplare davon gibt. Und dennoch macht es eigentlich wenig Sinn, mehr als 30.000 Euro für ein sehr altes Buch mit Fehlern zu bezahlen. Insbesondere, wenn man ein neues Buch ohne Fehler haben kann.


Wenn es schon schwierig ist, einen objektiven Wert für alte und neue Bücher zu definieren, wie schwierig mag es dann erst sein, einen Wert für etwas weitaus Kostbareres zu definieren. Zum Beispiel ein Menschenleben. Genau vor dieser Aufgabe stand aber Kenneth Feinberg nach dem 11. September 2001. Mehr als 7 Milliarden Dollar musste er an insgesamt 5.562 Personen verteilen. All jene, die während der Terroranschläge auf das World Trade Center einen geliebten Menschen verloren hatten. Als Basis für die Bestimmung der Entschädigungssumme wurde dabei ein einziger Parameter herangezogen: das Einkommen der Opfer. So kam es, dass die Witwe eines Börsenmaklers bis zu 6 Millionen Dollar vom Staat bekam. Die Witwe eines Polizisten jedoch nur zwischen 850.000 und 1,2 Mio. Dollar. Das mag ungerecht sein, zeigt aber, dass ein definierter Wert immer davon abhängt, welche Kriterien man als Bewertungsmassstab anlegt.


Bei objektiv messbaren Dingen ist dies bereits nicht einfach. Schliesslich gibt es zahlreiche Daten, die man erheben und bei der Bewertung unterschiedlich gewichten kann. Noch schwieriger wird es jedoch, wenn man ideelle Werte in die Gleichung miteinbezieht. Denn für diese sind die Messgrössen stets mit einem gewissen Interpretationsspielraum behaftet. Das gilt auch im Hinblick auf Marken. Schliesslich ist der Wert einer Marke vor allem von der Zuschreibung durch die Konsumenten abhängig. Dies erklärt möglicherweise auch die massive Abweichung in der Markenbewertung von Millward Brown und Interbrand. Beiden Bewertungen liegen unterschiedliche Parameter mit unterschiedlicher Gewichtung zugrunde. Das kann dann auch schon mal ein paar hundert Millionen ausmachen.


Kurz gesagt, bedeutet das: «Jeder Wert ist relativ.» Und es ist gut, wenn wir dies stets im Hinterkopf haben, sofern wir uns mit Bewertungen jeglicher Art auseinandersetzen.



Quellen:






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